Jüdisches Lexikon

WÖRTERBUCH DES

JÜDISCHEN RECHTS
 
 Neudruck 1980 der im "Jüdischen Lexikon" (1927-1930)
erschienenen Beiträge zum jüdischen Recht
 
 MARCUS COHN

 

NIDDA

N. ist im j. Religionsgesetz die Bez. der durch die Menstruation unreinen Frau. Mit dem Beginn der Menstruation ist für die ganze Dauer der Blutung und für weitere sieben sich anschließende Tage der Reinigung jeder eheliche Verkehr mit der N. unter Androhung der Karet-Strafe verboten (Lev. 18, 19; 20, 18), auch jede körperliche Annäherung und indirekte Berührung ist unzulässig.  Die der Zeit der Blutung angeschlossenen sieben "reinen" Tage wurden zu den ursprünglichen, in der Tora gegebenen Forderungen noch zugefügt.  Auch nach Beendigung dieser Zeit dauert die Unreinheit fort, bis die N. durch ein Tauchbad (tewila, in einer Mikwe) die Reinheit und damit die Erlaubnis zum ehelichen Umgang wieder erlangt.  Die N. muß mit ihrem ganzen Körper, an dem nichts Fremdes haften darf, untertauchen und dabei einen Segensspruch sprechen. Diese Reinheitsmaßnahme war dem j. Volk so vertraut, daß an mehreren Stellen (z.  B. Num. 19, 9; 13, 20f.; 31, 23) auch anderes, der Sühne und Reinheit dienendes Wasser als (me nidda) Reinigungswasser bez. wird. Die Bedeutung, welche die j. Lehre den N.-Vorschriften beimißt, geht auch aus dem in der Mischna (Sabb. 2, 6) aufgestellten Grundsatz hervor, daß N., Challa (Abgabe von dem zum Backen bestimmten Teig) und Hadlakat haner (Entzünden der Lichter am Vorabend des Sabbats und der j. Feiertage) zu den Hauptaufgaben des j. Weibes gehören.

Viele Sexualforscher der Gegenwart (so Forel) sehen in der durch die j. Reinheitsgesetze seit jeher vorgeschriebenen relativen geschlechtlichen Abstinenz eine hohe Stufe sittlicher Vollkommenheit für die eheliche Gemeinschaft, durch welche die mit dem Sexualleben der Menschen zusammenhängenden Probleme die beste Lösung finden.